Im Frühling süße Bio-Weintrauben aus Südafrika, im Herbst saftige Bio-Erdbeeren aus Argentinien und das ganze Jahr über knackige Bio-Äpfel aus Neuseeland. Vor allem in großen Bio-Supermärkten kann man das ganze Jahr über fast jedes Obst bekommen – und das dank Siegel auch noch mit beruhigtem Öko-Gewissen. Aber ist Bio-Obst aus Übersee wirklich ökologisch?
Global vermarktete Massenprodukte
Bio-Lebensmittel sind längst global vermarktete Massenprodukte geworden. Das hat zwei Gründe: Zum einen können die europäischen Landwirte den Bedarf nach Bioware (zurzeit noch) nicht decken. Und zum anderen bekommen die Bauern in Brasilien, China, Russland und anderswo für Obst und Gemüse mit Bio-Siegel mehr Geld. Da ist es nur logisch, dass die Nachfrage hierzulande durch ein steigendes Angebot aus aller Welt gedeckt wird.
Öko-Bilanzen des Lieblingsobstes
Das beliebteste Obst in Deutschland sind Äpfel, jeder Bundesbürger isst laut Statistik etwa sechzig pro Jahr. (Das kann ich aus eigener Sicht bestätigen, doch bei mir würden die sechzig Äpfeln höchstens einen Monat reichen.) Deshalb hat der Agrarwissenschaftler an der Universität Bonn, Michael Blanke, vor einigen Jahren die Öko-Bilanzen von Äpfeln aus Neuseeland mit denen aus dem Rheinland verglichen. Dabei berücksichtigte er den Energieaufwand und damit die Klimabelastung für die Erzeugung, für die Lagerung und für den Transport in einen Bonner Supermarkt. Als Verkaufszeitpunkt nahm er das Frühjahr an.
Weltreise oder Winterschlaf?
Wie nicht anders zu erwarten war, errechnete Blanke, dass bei den Äpfeln aus Neuseeland vor allem der 23.000 Kilometer weite Transport per Schiff und Lastwagen nach Deutschland den Energieaufwand nach oben treiben. Bei den Äpfeln aus dem Rheinland, die natürlich im Herbst geerntet wurden, schlug sich vor allem die monatelange Lagerung in einem Kühlhaus bis zum Frühjahr in der Energiebilanz nieder. Dessen ungeachtet war der Energieaufwand für die neuseeländischen Äpfel immer noch um ein Drittel höher. Selbst Bio-Äpfel aus Neuseeland sind also kein umweltfreundliches Obst mehr, wenn sie um den halben Globus verschifft wurden.
Regionalität und Saisonalität
Der Agrarwissenschaftler kam zu dem Ergebnis, dass heimische Äpfel nur dann klimafreundlicher sind, wenn sie in der Zeit von ihrer Ernte bis zum Mai des nächsten Jahres gegessen werden. Ihre Klimabilanz verschlechtert sich mit jedem Monat wegen der langen Lagerung im Kühlhaus. Deshalb sind von Juni bis zur neuen Ernte Äpfel aus Übersee klimafreundlicher als eingelagerte heimische Äpfel. Doch im Juni gibt es längst genügend anderes heimisches Obst, wie Erdbeeren oder Kirschen. Letztlich sollte man daher neben der Regionalität von Lebensmitteln auch auf die Saisonalität achten.
Noch schlechtere Bilanz beim Lufttransport
Was der Agrarwissenschaftler in seinen Berechungen nicht berücksichtigte ist, dass gerade Obst aus Übersee häufig nicht mit dem Schiff, sondern per Flugzeug nach Deutschland transportiert wird. Der Energieaufwand des Lufttransports ist mindestens zehnmal höher als der von Seefracht. Hinzu kommt außerdem noch, dass die klimaschädliche Wirkung der Flugzeugabgase etwa um das 2,7-Fache größer ist, weil sie in großer Höhe ausgestoßen werden. Auch für Bio-Obst wird dadurch die Öko-Bilanz vollkommen ruiniert.
Betrug bei Bio?
Gegen Bio-Lebensmittel aus Übersee spricht auch, dass bei ihnen kaum kontrolliert werden kann, ob die Öko-Richtlinien tatsächlich eingehalten werden. Meist können die Behörden bei Importen nur darauf vertrauen, dass die Begleitpapiere korrekt sind. Lückenlose Kontrollen sind in vielen Anbauländern nur äußerst schwer oder überhaupt nicht möglich. Wir verzichten deshalb völlig auf Obst aus Übersee, selbst wenn es ein Bio-Zeichen trägt. Eine Ausnahme machen wir aber, nämlich bei Bananen: Denn die wachsen bei uns nicht, sodass wir hier auf die Redlichkeit von Erzeugern und Händlern vertrauen müssen.
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